Montag, Juni 01, 2015

Und der Duft nach Weiß von Stefanie Gregg

Flucht durch den Eisernen Vorhang

Featured imageDer Roman „Und der Duft nach Weiß“ von Stefanie Gregg erzählt die Flucht des siebzehnjährigen Mädchens Anelija aus dem kommunistischen Bulgarien 1987.
In einer Parallelhandlung wird das historische Attentat auf den großen bulgarischen Schriftsteller Georgi Markow beschrieben, der als Dissident nach England emigrierte und dort ermordet wurde.
Im Prolog des Buches gehen wir ins Jahr 1968 nach Sofia, in den Präsidentenpalast. Dort hat der Präsident Schiwkow eben jenen Schriftsteller, Georgi Markow, empfangen. Dieser ist halb stolz und halb verunsichert, fühlt sich in der protzigen Atmosphäre nicht wohl. Schiwkow erkennt, er mag diesen Künstler, doch er ist keiner von ihnen – kein Kommunist. Und genau dieser Umstand soll Markow später zum Verhängnis werden.
In Kapitel 1 befindet sich Anelija gerade erbärmlich frierend auf der Ladefläche eines LKW’s, der sie in die Freiheit bringen soll. Ihre dünne Jacke und der Strickpullover können sie nicht schützen, sie glaubt sich selbst dem Kältetod nahe. Doch sie weiß, warum sie diese Flucht von Bulgarien nach Deutschland im Jahre 1987 auf sich genommen hat: sie will in die Freiheit, etwas zu essen und ihre Mutter wieder sehen. Wunderschön beschreibt Stefanie Gregg wie Anelija sich den Duft vorstellt, der sie in Deutschland und der Freiheit erwarten wird: Weiß! Das Symbol für Freude, Frieden, Reinheit.
In Kapitel 2 ist es bereits sieben Jahre später in der Zeit, Anelija erzählt ihrem Freund Enno zum ersten Mal Teile ihrer Geschichte. Der versteht nun, warum sie eine solche Angst vor Kälte hat. Doch noch kann sie sich nicht entschließen, sich ihm völlig zu öffnen, zu endgültig wäre ihre eigene Geschichte damit gefestigt, nicht mehr zurücknehmbar. Aber Enno, der sie liebt, gibt ihr die Zeit, die sie benötigt. Die Autorin findet auch hier bewegende und unvergessliche Worte voller Poesie: „Erst wenn die Worte ausgesprochen waren, formten sie die eigene Vergangenheit, die, wenn sie unausgesprochen war, ungewiss, offen und formbar blieb.“
Es ist ein heißer Sommer und die beiden Studierenden benötigen dringend eine Abkühlung, die sie am Isarstrand finden. Herrlich wie die Autorin diese Szene beschreibt, ich fühle mich, als wäre ich selbst dort, kann die Erfrischung fast schon auf meiner Haut fühlen.
Es ist nun der Zeitpunkt, wo Anelija bereit ist für das erste Mal, sie ist hungrig danach, sich Enno ganz hinzugeben.
Nach diesem Akt ist sie auch endlich bereit, ihre ganze Geschichte zu erzählen, ihre Mauern komplett für ihn aufzureißen. Sie beginnt zu erzählen, so befinden wir uns im nächsten Kapitel im Jahre 1975, in Radilovo. Anelija ist fünf Jahre alt, das Mädchen muss gerade Abschied nehmen von ihrer Mutter Nadja, die sie in der Obhut ihrer Großmutter zurück lässt.




In den weiteren Kapiteln schwenkt die Autorin abwechselnd zwischen den Zeiten und Schauplätzen, was dem Buch eine gewisse Auflockerung verleiht und die Spannung erhöht. Stefanie Gregg nimmt mich als Leserin kontinuierlich mit und hält mein Interesse stets wach. Sehr gelungen finde ich die Öffnung Anelijas, deren wahre Gefühle tief in ihr verschüttet waren, aufgrund ihrer eigenen Umstände, des ärmlichen Lebens in Bulgarien, den Verlust der Mutter und der Flucht ins Ungewisse.
In einem wunderbaren Schreibstil berichtet uns Lesern die Autorin Stefanie Gregg die Geschichte, die nach wahren Begebenheiten entstanden ist. Eindringlich und fesselnd nimmt sie mich sofort gefangen, die Seiten fliegen nur so dahin und schon ist das Buch beendet. Die Autorin schreibt völlig authentisch, ich kann die einzelnen Szenen direkt vor meinem inneren Auge ablaufen sehen, nahezu wie einen Film.

Von Herzen gerne möchte ich diesen Roman empfehlen, den ich mit fünf von fünf Sternen bewerte.